Anlässlich des
Chinese New Year habe ich das letzte Januarwochenende zum vorerst letzten Mal in
einer Gastfamilie verbracht. Auch diesmal gab es wieder kulturelle Unterschiede
zwischen mir und der Familie, dennoch nicht auf die Art, wie ich es erwartet
hatte.
Von den drei
Bevölkerungsgruppen (Malays, Inder, Chinesen) hier im Land sind wohl die
Chinesen diejenigen, die uns in ihrem Lebensstil am ähnlichsten sind. So tragen
sie auch kurze und knappe Klamotten, konsumieren alle Lebensmittel und auch dem
Alkoholkonsum wird gefrönt. Hinzu kommt, dass Männer in der Regel nicht das
absolute Sagen haben.
Meine Gastfamilie
gehörte zu den wohlhabenderen Familien Kuantans und bestand aus meinen
Gasteltern, deren erwachsene Kinder und Enkel über die Feiertage nach Hause
kamen. Positiv ist mir sofort aufgefallen, dass alle Familienmitglieder sehr
gutes Englisch sprechen und somit smalltalk-überschreitende Konversationen
möglich waren.
Da meine
Gastfamilie christlich ist, blieben mir auch abergläubische Traditionen, wie
nicht die Haare waschen am ersten Tag des neuen Jahres und ja nicht kehren,
erspart. Doch natürlich konnte ich mich ihrer Kultur nicht ganz entziehen: So
vertiefte ich in der Woche meine Stäbchen-Ess-Skills, die jetzt auch
Hähnchenflügel essen, einschließen.
Auch die
Speisekarte der Chinesen sieht etwas anders aus. So probierte ich am ersten Tag
„Oxtail-Soup“. Dank meiner soliden Englischkenntnisse wurde mir abends im Bett
auch endlich klar, dass sich „Oxtail-Soup“ wohl mit „Ochsenschwanzsuppe“
übersetzen lässt. Als ich während des Essens zweimal nachgefragt habe, was
genau es sei, habe ich letztendlich die versichernde Antwort „Beef“
–„Rindfleisch“ bekommen, woraufhin ich die Suppe genüsslich vor mich hin
schlürfte, mit warmem Herz beim Gedanken an die heimische Rindfleischsuppe von
Mama.
Ich fühlte mich
dann auch ungewohnt abenteuerlich als ich freiwillig auch nach Lamm probierte,
wurde da jedoch mit ähnlichen Gefühlen wie denen gegenüber des Ziegenfleisches
in der indischen Gastfamilie konfrontiert. Also, alles was „mäh“ macht, darf
fröhlich weiter über Wiesen und Weiden springen.
Höhepunkt meiner
kulinarischen Probierfreudigkeit war dann eine weitere Suppe. Es handelte sich
dabei um eine Hähnchen-Schweine-Suppe (es ist hier definitiv Trend mindestens
zwei Fleischsorten in ein Gericht zu machen und am besten auch noch Fisch
irgendwo hinein zu mogeln). Netterweise wurde mir diesmal bereits im Vorhinein
erzählt um welchen Teil des Tieres es sich handelt. Genau genommen war es
nämlich eine Hähnchen-Schweineinnereien-Suppe. Ich bin mir nicht ganz sicher,
ob es Schweinedarm oder Schweinemagen war, so oder so wurde mir versichert,
dass es sehr „sauber“ zubereitet wurde. Da konnte ich natürlich nicht „nein“
sagen. Welcher Teil es nun auch immer gewesen sein mag: Es war sehr gummerig
und zäh und steht in nächster Zeit wohl eher nicht auf meinem Speiseplan.
Bei den Chinesen
gehört außerdem der Alkoholkonsum zum Alltag. Im Bezug auf Deutsche haben
Chinesen folgende These aufgestellt: Deutsche Staatsbürgerschaft = hohe
Trinkfähigkeit = steter Alkoholdurst ; Diese These hatte ich also in der Woche
zu belegen. So begann der tägliche Alkoholkonsum um 12 Uhr beim Mittagessen und
endete erst mit dem Schlafengehen. Für mich galt es dabei auch nicht gemeinsam
mit den Frauen zu trinken, sondern der Alkoholkonsum der Männer galt als
Richtmaß und ich kann zufrieden feststellen, dass ich den Erwartungen jeden Tag
gerecht geworden bin (und jetzt sagt nicht, jaja, sind ja auch Asiaten
gewesen!).
So bestand mein
chinesisches Neujahr aus drei täglichen Mahlzeiten begleitet von Alkohol, 2
Kirchenbesuchen, Besuche von Open Houses und ansonsten viel Ruhe und
Entspannung.
Ich kann also
sagen, dass die kulturellen Unterschiede zwischen mir und den Chinesen
abgesehen von dem einen oder anderen Essen, sehr gering waren.
Die wirklichen
kulturellen Unterschiede ergaben sich an einem anderen entscheidenden Punkt:
Wie bereits
erwähnt, gehört meine Gastfamilie zu den wohlhabenderen Familien Kuantans.
Insbesondere im Vergleich zu meiner regulären Bleibe in Kuantan, wurde ich in
ein wahres Paradies entführt. So hatte ich nicht nur mein eigenes Zimmer,
sondern dieses umfasste einen Fernseher, einen begehbaren Kleiderschrank, ein
eigenes Badezimmer mit eigenem Whirlpool! Und hinzukommt noch W-Lan. Alles
Gegebenheiten über die ich mich nicht im Geringsten beklagen kann, wobei ich
ehrlicherweise anfangs nicht mehr wusste, wie ich mich längere Zeit mit dem
Internet beschäftigen soll. Es endete in einer youtube-video Eskalation anstatt
beispielsweise Emails zu beantworten. Das war eine schöne Abwechslung mal
wieder.
Da ich bereits
vorher schon auf die finanzielle Situation meiner Gastfamilie hingewiesen
worden war, war ich reichlich nervös vor eintreffen, da ich hier absolut keine
schicken Klamotten mehr besitze und mein einziges Schuhwerk ausgelatschte
FlipFlops sind.
Innerhalb meiner
Familie stellte sich das als überhaupt kein Problem dar. Mir wurde gesagt, ich
solle mich wie zu Hause fühlen und könne tun und lassen, was ich wolle. Vorzüge
waren dabei großartige Mahlzeiten in schicken Restaurants, endlich mal wieder
richtiger Käse und gute Schokolade (YEAH!!!) und zu guter Letzt qualitativ
hochwertiger Alkohol. So lernte ich unter anderem wie man Wein richtig probiert
und Schätzen lernt und hatte sogleich Gelegenheit meine Weintestkünste an
Weinen der verschiedenen Kontinente zu testen. Höhepunkt war definitiv 18 Jahre
alter Whisky, der laut den anwesenden Whiskytrinkern wohl sehr gut war. Ich
kann nur feststellen, dass ich ihn nicht ganz so eklig fand wie sonst, da er
nur rauchig geschmeckt hat und nicht gebrannt hat.
Da meine gesamte
Gastfamilie in der Wirtschaft tätig ist, durfte ich zahlreiche Konversationen
über die deutsche Wirtschaft insbesondere die Autoindustrie führen. Ungünstig,
wenn man zu Hause französische Autos fährt. Aber die Qualität der Autos
verschiedener Nationen durfte ich trotzdem gleich erfahren, da wir zahlreiche
verschiedene Autos hatten, die alle eine Gemeinsamkeit hatten: einen Monitor
der angeht, wenn man rückwärts fährt und einem zeigt wie man einschlagen muss
und wann man wo anstößt [wer das braucht, hat nur nie richtiges parken gelernt
;)].
Den wirklichen
Kulturschock hab ich erst bei den Open Houses anderer reicher und famoser
Personen erlebt. In meinen schicksten Klamotten, sprich FlipFlops und
Strandkleid, versuchte ich verzweifelt Konversationen mit Gleichaltrigen zu
führen, aber da sie leider kein Verständnis dafür aufbringen konnten, dass ich
hier bin als Freiwillige und ich nicht wusste, was ich auf die Aussage „I am
studying finances and business to work in my parents company“ antworten sollte,
war das eher erfolglos.
So beobachtete
ich recht bald nur noch wie Mädchen in meinem Alter mit den ganzen reichen
Älteren kokettierten und freute mich innerlich, dass mir sowas in der Regel
erspart bleibt.
Leider freute ich
mich jedoch zu früh, denn am nächsten Tag war eine Gruppe junger Mädchen bei
mir zu Hause eingeladen, wovon niemand mehr als 10 Jahre älter war als ich. Ich
wurde wieder angehalten mit zu trinken, was das Ganze einigermaßen erträglich
gemacht hat, insbesondere im Zusammenhang mit dem angebotenen Käse. Da die
gesprochene Sprache ausschließlich Mandarin war, hatte ich auch gar keine
Möglichkeit an den Freuden der Jugend teilzuhaben, die erneut mit meinem
Gastvater flirteten und kokettierten. Innerlich echauffierte ich mich erneut
über die Blasiertheit der Gesellschaft und freute mich über mein normales
Umfeld im Alltag.
Am dritten Tag
hatte ich dann so die Nase voll von den Zusammenkünften der Reichen und
Famosen, dass ich tolldreist zu einem Open House dasselbe Kleid anzog, das ich
bereits zum ersten Open House trug und das obwohl dort dieselbe Gesellschaft zusammentraf.
Wenn mein Outfit (FlipFlops und Strandkleid) schon damals ein absolutes No-Go
war, so war dasselbe Outfit bei einer weiteren Zusammenkunft DER Faux-Pas
schlechthin. Ich fühlte mich also wieder reichlich wohl in meiner Gesellschaft,
aber der Gedanke, dass ich mir so einen Faux-Pas absichtlich geleistet habe, munterte
mich dann doch wieder zu Genüge auf.
Mit derartigen
Begegnungen verbrachte ich also die Chinese New Year Woche. Da es sich aber in
der Regel nur um 2-3 Stunden pro Tag handelte und die restliche Zeit des Tages
echt großartig war, kann ich echt sagen, dass ich die Gastfamilie sehr genossen
habe. Meine Gastfamilie selbst hat sich ihren Wohlstand in ihrem Verhalten
absolut nicht anmerken lassen und es war super interessant sich mit ihnen über
ihre Perspektive auf das Land, die Regierung und im Allgemeinen die Welt zu
unterhalten. Und auch grade, weil sie sehr bereiste Leute waren, gab es immer
etwas zum Reden. Es war durchaus angenehm mal nicht im Mittelpunkt zu stehen
und von allen Seiten fotografiert und angestarrt zu werden und einfach mal
wieder etwas Ruhe zu haben. Dass Gambling (um Geld spielen) auch noch Tradition
war, war dann wohl das Sahnehäubchen einer sehr angenehmen und lehrreichen
Woche.
Ich hoffe, ihr
hattet einen schönen Start ins neue Jahr!
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