Sonntag, 9. Februar 2014

Gong Xi Fa Cai - Happy New Year!



Anlässlich des Chinese New Year habe ich das letzte Januarwochenende zum vorerst letzten Mal in einer Gastfamilie verbracht. Auch diesmal gab es wieder kulturelle Unterschiede zwischen mir und der Familie, dennoch nicht auf die Art, wie ich es erwartet hatte.
Von den drei Bevölkerungsgruppen (Malays, Inder, Chinesen) hier im Land sind wohl die Chinesen diejenigen, die uns in ihrem Lebensstil am ähnlichsten sind. So tragen sie auch kurze und knappe Klamotten, konsumieren alle Lebensmittel und auch dem Alkoholkonsum wird gefrönt. Hinzu kommt, dass Männer in der Regel nicht das absolute Sagen haben.
Meine Gastfamilie gehörte zu den wohlhabenderen Familien Kuantans und bestand aus meinen Gasteltern, deren erwachsene Kinder und Enkel über die Feiertage nach Hause kamen. Positiv ist mir sofort aufgefallen, dass alle Familienmitglieder sehr gutes Englisch sprechen und somit smalltalk-überschreitende Konversationen möglich waren.
Da meine Gastfamilie christlich ist, blieben mir auch abergläubische Traditionen, wie nicht die Haare waschen am ersten Tag des neuen Jahres und ja nicht kehren, erspart. Doch natürlich konnte ich mich ihrer Kultur nicht ganz entziehen: So vertiefte ich in der Woche meine Stäbchen-Ess-Skills, die jetzt auch Hähnchenflügel essen, einschließen.
Auch die Speisekarte der Chinesen sieht etwas anders aus. So probierte ich am ersten Tag „Oxtail-Soup“. Dank meiner soliden Englischkenntnisse wurde mir abends im Bett auch endlich klar, dass sich „Oxtail-Soup“ wohl mit „Ochsenschwanzsuppe“ übersetzen lässt. Als ich während des Essens zweimal nachgefragt habe, was genau es sei, habe ich letztendlich die versichernde Antwort „Beef“ –„Rindfleisch“ bekommen, woraufhin ich die Suppe genüsslich vor mich hin schlürfte, mit warmem Herz beim Gedanken an die heimische Rindfleischsuppe von Mama.
Ich fühlte mich dann auch ungewohnt abenteuerlich als ich freiwillig auch nach Lamm probierte, wurde da jedoch mit ähnlichen Gefühlen wie denen gegenüber des Ziegenfleisches in der indischen Gastfamilie konfrontiert. Also, alles was „mäh“ macht, darf fröhlich weiter über Wiesen und Weiden springen.
Höhepunkt meiner kulinarischen Probierfreudigkeit war dann eine weitere Suppe. Es handelte sich dabei um eine Hähnchen-Schweine-Suppe (es ist hier definitiv Trend mindestens zwei Fleischsorten in ein Gericht zu machen und am besten auch noch Fisch irgendwo hinein zu mogeln). Netterweise wurde mir diesmal bereits im Vorhinein erzählt um welchen Teil des Tieres es sich handelt. Genau genommen war es nämlich eine Hähnchen-Schweineinnereien-Suppe. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es Schweinedarm oder Schweinemagen war, so oder so wurde mir versichert, dass es sehr „sauber“ zubereitet wurde. Da konnte ich natürlich nicht „nein“ sagen. Welcher Teil es nun auch immer gewesen sein mag: Es war sehr gummerig und zäh und steht in nächster Zeit wohl eher nicht auf meinem Speiseplan.
Bei den Chinesen gehört außerdem der Alkoholkonsum zum Alltag. Im Bezug auf Deutsche haben Chinesen folgende These aufgestellt: Deutsche Staatsbürgerschaft = hohe Trinkfähigkeit = steter Alkoholdurst ; Diese These hatte ich also in der Woche zu belegen. So begann der tägliche Alkoholkonsum um 12 Uhr beim Mittagessen und endete erst mit dem Schlafengehen. Für mich galt es dabei auch nicht gemeinsam mit den Frauen zu trinken, sondern der Alkoholkonsum der Männer galt als Richtmaß und ich kann zufrieden feststellen, dass ich den Erwartungen jeden Tag gerecht geworden bin (und jetzt sagt nicht, jaja, sind ja auch Asiaten gewesen!).
So bestand mein chinesisches Neujahr aus drei täglichen Mahlzeiten begleitet von Alkohol, 2 Kirchenbesuchen, Besuche von Open Houses und ansonsten viel Ruhe und Entspannung.
Ich kann also sagen, dass die kulturellen Unterschiede zwischen mir und den Chinesen abgesehen von dem einen oder anderen Essen, sehr gering waren.
Die wirklichen kulturellen Unterschiede ergaben sich an einem anderen entscheidenden Punkt:
Wie bereits erwähnt, gehört meine Gastfamilie zu den wohlhabenderen Familien Kuantans. Insbesondere im Vergleich zu meiner regulären Bleibe in Kuantan, wurde ich in ein wahres Paradies entführt. So hatte ich nicht nur mein eigenes Zimmer, sondern dieses umfasste einen Fernseher, einen begehbaren Kleiderschrank, ein eigenes Badezimmer mit eigenem Whirlpool! Und hinzukommt noch W-Lan. Alles Gegebenheiten über die ich mich nicht im Geringsten beklagen kann, wobei ich ehrlicherweise anfangs nicht mehr wusste, wie ich mich längere Zeit mit dem Internet beschäftigen soll. Es endete in einer youtube-video Eskalation anstatt beispielsweise Emails zu beantworten. Das war eine schöne Abwechslung mal wieder.
Da ich bereits vorher schon auf die finanzielle Situation meiner Gastfamilie hingewiesen worden war, war ich reichlich nervös vor eintreffen, da ich hier absolut keine schicken Klamotten mehr besitze und mein einziges Schuhwerk ausgelatschte FlipFlops sind.
Innerhalb meiner Familie stellte sich das als überhaupt kein Problem dar. Mir wurde gesagt, ich solle mich wie zu Hause fühlen und könne tun und lassen, was ich wolle. Vorzüge waren dabei großartige Mahlzeiten in schicken Restaurants, endlich mal wieder richtiger Käse und gute Schokolade (YEAH!!!) und zu guter Letzt qualitativ hochwertiger Alkohol. So lernte ich unter anderem wie man Wein richtig probiert und Schätzen lernt und hatte sogleich Gelegenheit meine Weintestkünste an Weinen der verschiedenen Kontinente zu testen. Höhepunkt war definitiv 18 Jahre alter Whisky, der laut den anwesenden Whiskytrinkern wohl sehr gut war. Ich kann nur feststellen, dass ich ihn nicht ganz so eklig fand wie sonst, da er nur rauchig geschmeckt hat und nicht gebrannt hat.
Da meine gesamte Gastfamilie in der Wirtschaft tätig ist, durfte ich zahlreiche Konversationen über die deutsche Wirtschaft insbesondere die Autoindustrie führen. Ungünstig, wenn man zu Hause französische Autos fährt. Aber die Qualität der Autos verschiedener Nationen durfte ich trotzdem gleich erfahren, da wir zahlreiche verschiedene Autos hatten, die alle eine Gemeinsamkeit hatten: einen Monitor der angeht, wenn man rückwärts fährt und einem zeigt wie man einschlagen muss und wann man wo anstößt [wer das braucht, hat nur nie richtiges parken gelernt ;)].
Den wirklichen Kulturschock hab ich erst bei den Open Houses anderer reicher und famoser Personen erlebt. In meinen schicksten Klamotten, sprich FlipFlops und Strandkleid, versuchte ich verzweifelt Konversationen mit Gleichaltrigen zu führen, aber da sie leider kein Verständnis dafür aufbringen konnten, dass ich hier bin als Freiwillige und ich nicht wusste, was ich auf die Aussage „I am studying finances and business to work in my parents company“ antworten sollte, war das eher erfolglos.
So beobachtete ich recht bald nur noch wie Mädchen in meinem Alter mit den ganzen reichen Älteren kokettierten und freute mich innerlich, dass mir sowas in der Regel erspart bleibt.
Leider freute ich mich jedoch zu früh, denn am nächsten Tag war eine Gruppe junger Mädchen bei mir zu Hause eingeladen, wovon niemand mehr als 10 Jahre älter war als ich. Ich wurde wieder angehalten mit zu trinken, was das Ganze einigermaßen erträglich gemacht hat, insbesondere im Zusammenhang mit dem angebotenen Käse. Da die gesprochene Sprache ausschließlich Mandarin war, hatte ich auch gar keine Möglichkeit an den Freuden der Jugend teilzuhaben, die erneut mit meinem Gastvater flirteten und kokettierten. Innerlich echauffierte ich mich erneut über die Blasiertheit der Gesellschaft und freute mich über mein normales Umfeld im Alltag.
Am dritten Tag hatte ich dann so die Nase voll von den Zusammenkünften der Reichen und Famosen, dass ich tolldreist zu einem Open House dasselbe Kleid anzog, das ich bereits zum ersten Open House trug und das obwohl dort dieselbe Gesellschaft zusammentraf. Wenn mein Outfit (FlipFlops und Strandkleid) schon damals ein absolutes No-Go war, so war dasselbe Outfit bei einer weiteren Zusammenkunft DER Faux-Pas schlechthin. Ich fühlte mich also wieder reichlich wohl in meiner Gesellschaft, aber der Gedanke, dass ich mir so einen Faux-Pas absichtlich geleistet habe, munterte mich dann doch wieder zu Genüge auf.
Mit derartigen Begegnungen verbrachte ich also die Chinese New Year Woche. Da es sich aber in der Regel nur um 2-3 Stunden pro Tag handelte und die restliche Zeit des Tages echt großartig war, kann ich echt sagen, dass ich die Gastfamilie sehr genossen habe. Meine Gastfamilie selbst hat sich ihren Wohlstand in ihrem Verhalten absolut nicht anmerken lassen und es war super interessant sich mit ihnen über ihre Perspektive auf das Land, die Regierung und im Allgemeinen die Welt zu unterhalten. Und auch grade, weil sie sehr bereiste Leute waren, gab es immer etwas zum Reden. Es war durchaus angenehm mal nicht im Mittelpunkt zu stehen und von allen Seiten fotografiert und angestarrt zu werden und einfach mal wieder etwas Ruhe zu haben. Dass Gambling (um Geld spielen) auch noch Tradition war, war dann wohl das Sahnehäubchen einer sehr angenehmen und lehrreichen Woche.

Ich hoffe, ihr hattet einen schönen Start ins neue Jahr!

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